bei Deponien und Altlasten
Kurzfassung von:
BAIER, ALFONS (2000): Grundwasserfragen bei Deponien und Altlasten.- Schriftenrh. Bergbau- u. Industriemus. Ostbayern Schloss Theuern 36: 177-193, 5 Abb., Kümmersbruck (Flierl) 2000.
Die Konzeption und der Bau von Deponien stellen heute ein wesentliches Teilgebiet der Umwelttechnik dar. Hierbei soll mit hohem technischem Aufwand versucht werden, alle Arten von Abfällen, vor allem Erdaushub, Bauschutt, Hausmüll und Sondermüll, wieder in die Umwelt einzubringen.
Die Natur stellt hierbei hohe Ansprüche, da sie aufgrund der vorhandenen Kreisläufe, insbesondere des komplexen Wasser-, Gesteins- und Luftkreislaufes, sehr empfindlich auf jeden fremden Eingriff reagiert.
Das Schadenpotential, das Deponien aufweisen können, stellt eine erhebliche Gefährdung für den Menschen und die Umwelt dar. Primär kann dies die Schädigung der Umweltsegmente Wasser, Boden und Luft bedeuten, wodurch eine Schadstoffanreicherung in den Umweltsegmenten Wasser und Boden erfolgt. Sekundär kommt es dann zu Schäden am Menschen.
Aus dieser Problematik resultiert ein gesellschaftlicher Konflikt, der sich einerseits aus den technischen Errungenschaften unserer Zeit und andererseits aus der fehlenden Akzeptanz für künftige Entsorgungs- oder Deponiestandorte ergibt. Der hohe technische Standard, der von den Menschen täglich in Anspruch genommen wird, bedeutet langfristig ein Umweltschadens-Potential von beträchtlichem Ausmaß.
Im Laufe von Jahren oder Jahrzehnten können durch Deponien und Altlasten Neben- und Folgewirkungen auftreten, die zunächst nicht oder nur schwer erkennbar waren und auch nicht in die Kostenrechnung eingegangen sind.
Aus dieser Problematik sollte für die Zukunft die Konsequenz gezogen werden, daß die Technik so weiterzuentwickeln ist, daß sie präventiv Schäden und Folgewirkungen vermeidet, damit die Technik von heute nicht die Altlasten von morgen erzeugt.
Generell sollte man davon ausgehen, daß jede Fläche, die durch gesunds- oder umweltschädigende Stoffe verunreinigt ist, ein Problem darstellt. Jeder "kontaminierte Standort" -- als Folge eines verantwortungslosen oder auch nur unwissenden Umganges mit Schadstoffen -- bürdet uns und unserer Mitwelt eine nur schwer einzuschätzende Last auf. Nämlich: Die Last der regelmäßigen Überwachung, die Last von Sicherungs- und Sanierungsmaßnahmen, die Last von Boden-, Luft- und Wasserverunreinigungen sowie die Last von möglichen Gesundheitsbeeinträchtigungen (BARKOWSKI et al. 1993).
Hierbei ist zu beachten, daß der Begriff "Kontamination" unabhängig von existierenden Grenzwerten definiert wird. Verunreinigt ist ein Standort dann, wenn kritische Substanzen in Konzentrationen vorliegen, die die Konzentrationen der Umgebung merklich übersteigen.
Nicht jede Ablagerung von Abfallstoffen beinhaltet Gefahren. Zahlreiche Abfall-Deponierungen aus der Vergangenheit stellen kein Risiko für Mensch und Umwelt. Andererseits sind beispielsweise Deponien mit dioxinhaltige Rückstände in extremer Weise brisant. Zwischen diesen beiden Extremata existieren zahlreiche Übergänge und Kombinationen von Ablagerungen und Verunreinigungen.
Für eine erste Einschätzung ist die folgende Auflistung nützlich (BARKOWSKI et al. 1993):
1.) Bodenaushub, der bei Bauarbeiten angefallen ist und abgelagert wurde, wird sicher in den meisten Fällen unproblematisch sein. Dennoch ist auch hier Vorsicht geboten, wenn es sich beispielsweise um Aushub von Fluß- oder Hafensedimenten, um Boden von Industrieflächen oder verunreinigtes Untergrundmaterial (z.B. Bodenaushub von Schadensfällen) handelt.
2.) Bauschuttablagerungen sind -- je nach ihrer Entstehungszeit -- sehr unterschiedlich zusammengesetzt. Wurden früher lediglich Ziegelreste, Bruchsteine, Gips, Mörtel und andere mineralische Baumaterialien abgekippt, so können sich auf Deponien der jüngeren Vergangenheit viel "unerwartete" Materialien im Bauschutt verbergen. So sind auf Bauschuttdeponien eine Fülle von "Baustellenabfällen" wie Farben, Isoliermittel, Löse- und Reinigungsmittel, Straßenaufbruch, Schlacken und Klärschlämme mit abgelagert worden.
3.) Hausmülldeponien: Es ist aussichtslos, "Hausmüll" physikalisch und chemisch zu charakterisieren. Zum einen hatte Hausmüll in früheren Zeiten eine völlig andere Zusammensetzung (mit größeren Anteilen an Aschen und Schlacken) als heute nach dem hohen Kunststoffanteil und der Chemisierung der Privathaushalte. Zum anderen sind Hausmülldeponien nicht nur durch die Ablagerung von Haushaltsabfällen charakterisiert: Straßenkehricht, Sperrmüll und Gewerbeabfälle sowie weitere Reststoffe sind auch gegenwärtig normale Bestandteile von Hausmülldeponien.
4.) Industrieabfälle sind früher i.d.R. zusammen mit Hausmüll oder Bauschutt abgelagert worden. Hierbei ist es wichtig, Informationen über die Herkunft der Industrieabfälle in die Gefährdungsabschätzung einzubinden.
Industrieabfälle können zum Gefährdungspotential einer Altablagerung unterschiedlich beitragen; auch die Art des Verarbeitungsprozesses schlägt sich in der Zusammensetzung der Abfälle nieder, ohne im Produkt selbst erkennbar zu sein.
So benötigt beispielsweise die metallverarbeitende Industrie zur Veredlung absolut fettfreie Oberflächen. Wird als Waschflüssigkeit -- wie es lange Zeit üblich war und noch immer ist -- etwa eine tetrachlorethenhaltige Mischung verwendet, so sind Rückstände dieses chlorierten Kohlenwasserstoffes (CKW) mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Bestandteil der anfallenden Abfälle. Enthalten also Deponien neben Hausmüll auch Reststoffe aus der Metallverarbeitung, so tragen möglicherweise chlorierte Kohlenwasserstoffe neben den ebenfalls zu erwartenden Schwermetallen ganz wesentlich zu deren Gefährdungspotential bei.
Bei Halden aus dem Erzbergbau sind es v.a. die Schwermetalle, deren Wirkungsgefährlichkeit abgeschätzt werden muß.
Die zentrale Frage zur Gefährdungsabschätzung einer Deponie oder Altlast ist die, ob von dem Standort Emissionen ausgehen oder ausgehen können, die für den Menschen oder die Umwelt eine Schädigung oder eine Gefahr bedingen. Die Gefährdungsabschätzung muß damit zwei Untersuchungskomplexe erkunden:
1.) Sie muß sich mit dem Auffinden und Untersuchen der Emissionspfade (bzw. der Ausbreitungsmedien) befassen, also der Wege, über die Substanzen sich ausbreiten können.
2.) Sie muß die potentiellen Risiken einschätzen, die langfristig vom Standort ausgehen können, also Hinweise liefern über die auf dem Standort "schlummernden" Gefahren.
Emissionsmöglichkeiten sind u. a.:
1.Sickerwasser-Emissionen in das Grundwasser,
2.Sickerwasser-Emissionen in Oberflächengewässer,
3.Gas-Emissionen in die Atmosphäre,
4.Seitliche Gas-Emissionen in den Untergrund,
5.Staub-Emissionen durch Verwehung,
6.Schadstoff-Emissionen über Pflanzen und die Nahrungskette,
7.direkter Kontakt.
Ausbreitungsmedien für Schadstoffe sind also vor allem Wasser, Boden und Luft, auf die sich die Gefährdungsabschätzung konzentrieren muß.
Deponiesickerwasser
Zum Thema "Sickerwasser aus Deponien" wurden intensive Diskussionen geführt. Die hieraus gezogenen Schlußfolgerungen sind jedoch in sich nicht stimmig. So wird auf der einen Seite die Umweltgefährlichkeit von Deponiesickerwässern zum Vorwand genommen, die Müllverbrennung zu fordern; in anderen Fällen wird das Sickerwasserproblem verharmlost, indem man die Selbstreinigungskraft von Boden, Grund- und Oberflächenwasser stark überschätzt.
Deponiesickerwasser entsteht im wesentlichen durch das Eindringen von Oberflächenwasser, Grundwasser und Niederschlagswasser in den Deponiekörper, aus dem es anschließend -- mit Schadstoffen angereichert -- an der Sohle und seitlich wieder austritt. Diese Sickerlösungen stellen oftmals eine nachhaltige Beeinträchtigung der Grundwasserqualität dar. So treten besonders häufig die chlorierten Kohlenwasserstoffe wie Trichlorethen, Tetrachlorethen, Dichlorethen, Trichlormethan und Vinylchlorid in Grundwässern unterhalb von Mülldeponien auf; weiterhin lassen sich auch aromatische Kohlenwasserstoffe wie Benzol, Toluol und Xylol sowie Phenole in vielen Grundwasserproben nachweisen. Diese Kohlenwasserstoffe haben alle ein hohes Mobilitätspotential (hohe Wasserlöslichkeit und hoher Dampfdruck) und werden in der Bio- und der Geospäre nur wenig gebunden.
Bei den
anorganischen Komponenten im Grundwasserabstrom von Deponien weisen v.a. Bor, Ammonium, Nitrat, Kalium und Natrium besonders hohe "Konzentrationsfaktoren" auf und stellen langfristig die nachhaltigste Belastung der Grundwasserqualität dar.
Bei den Metallen sind Arsen, Cadmium, Chrom und Blei im Grundwasserabstrom vieler Deponien angereichert.
Die Menge des Sickerwassers ist natürlich vom Niederschlag, der Verdunstung und dem Oberflächenabfluß abhängig. Zudem wird eine gewisse Menge des einsickernden Wassers im abgelagerten Müll festgehalten, während durch die biologischen Abbauprozesse andererseits auch Wasser freigesetzt wird. Infolge des großen Einflusses der sommerlichen Verdunstung muß mit erhöhtem Sickerwasseranfall in den Winter- und Frühjahrsmonaten gerechnet werden. Je nach Verdichtung des abgelagerten Materials kann man in Bezug auf die Menge des anfallenden Sickerwassers von Größenordnungen zwischen 15 und 50 % der Niederschlagsmenge ausgehen (STEGMANN 1979): Das sind im Jahresmittel grob ca. 5 bis 10 m3 pro Hektar und Tag (oder: 3 bis 6 Liter pro Minute und Hektar).
Oberflächengewässer
Bei Oberflächengewässern führt der mikrobiologische Abbau von eingetragenen organischen Inhaltsstoffen zu einem Sauerstoffschwund, der so weit gehen kann, daß Lebensmöglichkeiten (z. B. für Fische) nicht mehr gegeben sind. Zudem geht das reichlich vorhandene Ammonium zum Teil in Ammoniak über, welches -- bei Überschreiten kritischer Grenzen -- auf Fische und Kleinlebewesen tödlich wirken kann.
Eher langfristig wirkende Gefahren ergeben sich darüber hinaus durch Anreicherung von speziellen Sickerwasserinhaltsstoffen: z. B. ist die ökotoxische Wirkung von Schwermetallen, chlorierten Kohlenwasserstoffen, Phenolen, Aromaten und Pestiziden kaum oder überhaupt nicht abschätzbar.
Grundwasser
In durch Sickerwässer beeinflußten Grundwasserleitern kommt es zu beträchtlichen Keimzahlerhöhungen und -- als Folge von Abbauprozessen -- zu einem Aufzehren des Sauerstoffs (Reduktionszone).
In weiterer Entfernung von der Deponie steigt der Sauerstoffgehalt im Grundwasser an, bis er in der Oxidationszone wieder grundwasserübliche Werte annimmt. Die sich mit zunehmender Entfernung normalisierenden Sauerstoffgehalte besagen allerdings nicht, daß dort keine Beeinflussung durch Sickerwasser mehr stattfindet: Biologisch nicht oder nur sehr schwer abbaubare Stoffe können im Grundwasser kaum entfernt, sondern nur verdünnt werden. Dementsprechend ist es durchaus möglich, daß sie die Qualität von Trinkwasser, welches in benachbarten Brunnen gefördert wird, nachhaltig beeinträchtigen.
Geologische und hydrogeologische Untersuchungen zur Ermittlung der Grundwasserbewegungen
Die Geologie beschreibt die Lagerung und die Ausbildung der Schichten, die das Umfeld eines kontaminierten Standortes aufbauen. Hierbei werden Informationen erlangt über
- die Ausbildung von Sohle und Wandungen einer Ablagerung und damit über deren "Dichtigkeit" gegenüber der Umgebung;
- die Planung von Art und Umfang notwendiger hydrogeologischer Untersuchungen;
- potentielle Ausbreitungspfade für Gase, die über Trennflächen (Risse, Spalten und Klüfte im Gestein) über weite Entfernungen (u. U. bei Altablagerungen mehr als 1000 m) in das Umfeld einwandern (Gase breiten sich außerdem vorzüglich über Rohrleitungen, Drainagen, Kanalisationssysteme u.ä. künstliche Migrationsbahnen aus.);
- evtl. vorhandene natürliche oder künstliche Oberflächenabdichtungen im Bereich einer Ablagerung, die eine vertikale Ausgasung in die Luft verhindern und dadurch horizontale Gasmigrationen im Untergrund fördern (BARKOWSKI et al. 1993).
Die hydrogeologischen Untersuchungen befassen sich mit der Ermittlung der Grundwasserverhältnisse im Untersuchungsgebiet. Somit werden Rückschlüsse auf die Richtung (und evtl. die mögliche Reichweite) einer möglichen Schadstoffausbreitung gezogen.
Beim Grundwasser unter einer Deponie interessieren v. a. die Gebirgsdurchlässigkeit, die Grundwasserfließrichtung und die Grundwasserfließgeschwindigkeit. Bei diesen Untersuchungen ist es erforderlich, sich auf die Grundwasserfließrichtung und die Durchlässigkeit des Untergrundes konzentrieren. Die Gesteinsschichten im Untergrund und Umfeld der Deponie können sehr unterschiedlich aufgebaut sein und erfordern hierdurch unterschiedliche hydrogeologische Untersuchungsmethoden. Für eine Klassifizierung wird v.a. auf die Homogenität (Verteilung) und Art der "Hohlräume" (Poren, Kluft- und Schichtflächen) zurückgegriffen, die für das Grundwasserverhalten von Bedeutung sind.
Es gilt die folgende Klassifizierung:
- durchlässiges Lockergestein (Sand, Kies)
- klüftiges Festgestein (z. B. Kalkstein, Schiefer)
- geringdurchlässiges Gestein (Ton, Geschiebelehm u. ä.).
Die Grundwasserverhältnisse einer gut geklüfteten Gesteinsfolge (z. B. Kalkstein, Tonstein) sind grundsätzlich verschieden von jenen in einem Sand- oder in einem gering durchlässigen, nicht geklüfteten Tonstein. Zunächst sollen die charakteristischen Unterschiede zwischen den Klassifikationstypen kurz umrissen werden.
Grundwasserverhältnisse im durchlässigen Lockergestein
Die Hydrogeologie von durchlässigen Sanden und Kiesen weist im allgemeinen folgende Eigenschaften auf:
- relativ gute Durchlässigkeit
- geringes Grundwassergefälle,
- vergleichsweise langsame Fließgeschwindigkeiten,
- häufig große Grundwasservorkommen.
In der Vergangenheit wurden ehemalige Sand- und Kiesgruben häufig mit Abfällen verschiedenster Art verfüllt, wodurch viele Altablagerungen in diesen Sedimenten zu finden sind. Da eine natürliche Abdichtung zwischen Abfall und Grundwasser i.a. fehlt, stellen die in durchlässigem Lockergestein abgelagerten Schadstoffe eine besonders große Gefährdung dar. Diese Gefährdung wird dadurch verstärkt, daß aus den häufig ergiebigen Grundwasservorkommen sowohl Hausbrunnen wie auch öffentliche Wasserversorgungsanlagen ihr Trinkwasser fördern.
Grundwasserverhältnisse im klüftigen Festgestein
Ähnlich den Sand- und Kiesgruben wurden auch ehemalige Steinbrüche nach Ende oder sogar schon während des Abbaus häufig mit Abfällen verfüllt; z.T. verfährt man noch heute so.
Die hydrogeologischen Verhältnisse im klüftigen Festgestein sind sehr viel komplizierter als die im Lockergestein. So bilden weniger die Poren zwischen einzelnen Körnern, sondern Trennflächen innerhalb des Gesteinsverbandes (Klüfte, Störungen) die hydraulisch wirksamen Bahnen. Auf diesen bewegt sich das Grundwasser. Darüber hinaus sind Kluftgesteine hinsichtlich ihrer Durchlässigkeit im allgemeinen anisotrop, d.h., sie weisen (abhängig von ihrem Kluftsystem) stark unterschiedliche Durchlässigkeiten in verschiedenen Richtungen auf.
Die Grundwasserfließgeschwindigkeit ist im allgemeinen bedeutend höher als in Sanden und Kiesen; so wurden in klüftigen Sandsteinen (Buntsandstein) Geschwindigkeiten bis zu 850 m/h gemessen. Auf die Verhältnisse im Bereich einer Abfalldeponie übertragen bedeutet das: Eventuell austretende Deponiesickerwässer können in großen Mengen und sehr rasch verfrachtet werden. Der natürliche Abbau bzw. die Rückhaltung vieler Schadstoffe und die damit verbundene Reinigung des Grundwassers entfällt weitgehend.
In besonderem Maße trifft dies für verkarstete Kalksteingebiete zu, in denen sich das Grundwasser in Karsthohlräumen mit außerordentlich hohen Geschwindigkeiten (entsprechend den Fließgeschwindigkeiten von Oberflächengewässern) bewegen kann.
Grundwasserverhalten im gering durchlässigen Gestein
Deponien in gering durchlässigen Gesteinen wie Ton- und Mergelschiefern, Tonen, und Lehmen führten in der Vergangenheit wiederholt zu Kontroversen und unangenehmen Überraschungen. Gemäß dem Motto "Ton ist Ton, und Ton ist dicht!" wurden gerade Abfälle mit Sondermüllcharakter in alten Tongruben abgelagert, ohne prophylaktisch Sicherheitsvorkehrungen getroffen zu haben. Die juristische Bezeichnung "gering durchlässig" bedeutet in praxi aber nun einmal nicht "dicht" und grundsätzlich kann festgestellt werden, daß in natura kein vollkommen und in geologischen Zeiträumen undurchlässiges Gestein vorkommt.
Ton wird als wasseraufstauend oder wasserabhaltend bezeichnet. Diese Annahme beruht aber auf einem Trugschluß: Ton ist prinzipiell ebenso wasserdurchlässig wie Schotter oder Kies, nur mit der Einschränkung, daß das Wasser im Ton erheblich langsamer als im Schotter oder Kies fließt. Die Grundwasserfließgeschwindigeit liegt für Kies und Schotter i.a. bei ungefähr 10-3 m/s, also 0,1 cm/s, was bei vertikalen Gefälle etwa einer Geschwindigkeit von 86 m am Tag entspricht. Bei Tonen liegt die entsprechende Grundwasserfließgeschwindigkeit ungefähr bei 10-8 m/s, also bei 3 mm im Monat.
Bei einer Dicke der Ton-Basisabdichtung einer Deponie von 60 cm wäre diese Tonschicht bei optimaler Verdichtung und Fertigung und bei andauernd aufstehendem Sickerwasser in ungefähr 16 bis 20 Jahren für flüssige Schadstoffe durchsickert.
Einen Sonderfall stellen die in fast allen Deponien enthaltenen chlorierten Kohlenwasserstoffe dar, welche aufgrund ihrer chemischen Eigenschaften sowohl Beton als auch natürliche Gesteine wie Ton durchdringen können. Die chlorierten Kohlenwasserstoffe benötigen etwa einen Tag, um eine 20 cm dicke Betondecke zu durchsickern (BARKOWSKI et al. 1993). Von dort aus durchsickern sie zuerst die wasserungesättigte, dann die wassergesättigte Bodenzone. Da die chlorierten Kohlenwasserstoffe sogenannte Sinker sind, setzen sie sich vor allem an der tiefsten Stelle von grundwasserleitenden Schichten ab und kontaminieren aufgrund ihrer stark wassergefährdenden Eigenschaften nachhaltig das Grundwasser.
Die aus einer Ablagerung austretende Schadstoffe finden sich häufig noch in erheblicher Entfernung. Wie weit die Emissionen nachzuweisen sind, hängt wesentlich von Art und Menge der Schadstoffe und vom Aufbau des jeweiligen Grundwasserleiters ab: So können in einem sandigen Grundwasserleiter Entfernungen von über 1000 m auftreten (BARKOWSKI et al. 1993). In klüftigen Festgesteinen und besonders in Karstgebieten sind aufgrund der höheren Fließgeschwindigkeiten im Untergrund sehr viel größeren Entfernungen zu beobachten.
Schadstoffemissionen breiten sich als Verschmutzungsfahne in Grundwasserfließrichtung, d. h. im Abstrombereich der Ablagerung, aus. Dieses gilt allerdings nur für klar definierte, weitgehend konstante Grundwasserbewegungen; unter stark wechselhaften Bedingungen kann die "Verschmutzungswolke" beliebige Formen annehmen, für deren Berechnung aufwendige hydrogeologische Modellrechnungen notwendig sind.
Barrierensysteme
Die wichtigste Aufgabe bei Sicherungsmaßnahmen ist die Unterbrechung von Emissionspfaden; dabei wiederum geht es im wesentlichen um eine Unterbrechung des Grundwasserstroms und die Verringerung der Sickerwasserneubildung.
Basis-, Damm- und Seitenabdichtungen
Der Bau von Basis-, Damm- und Seitenabdichtungen verfolgt grundsätzlich das Ziel, die möglichen Schadstoffaustritte von der Deponie in die benachbarte Litho- und Hydrospäre zu verhindern. Unter günstigen geologischen Bedingungen (z.B. Einbindung von Kunststoffichtungen in eine geringdurchlässige Gesteinsschicht) kann eine nahezu völlige "Einkapselung" des Deponiekörpers erfolgen.
Allerdings sind beim Einbau von Kunststoffdichtungen Fehlerquellen möglich:
Typische Fehler, die beim Verschweißen von Kunststoffdichtungen auftreten können, sind zu hoher Andruck beim Schweißvorgang, mangelnde Vorbehandlung, zu hohe Vorwärmtemperaturen und falsche Ausrichtung des Schweißgerätes.
Einen besonderen Problembereich stellt die Verlegung von Dichtungsfolien entlang von Böschungen dar, die sich rings um die ebene Lagerungsfläche jeder Deponie befinden. Hier überschneiden sich zwei Beanspruchungen: die Reibung der Platte an der Böschung und die Auflast des Mülls.
Dabei treten auf: Zug durch Eigengewicht, Zug und Biegung durch Wind und Temperaturunterschiede, Schub durch Müllsetzung und Auflast des Müllkörpers, punktuelle Beanspruchungen an den Böschungen von Deponiebauten und Druck durch Auflasten, Zug und Setzungsunterschiede der Dichtungsfolie, Druck, Zug und Schub an Bauwerken auf der Dichtungsfolle.
Auch hat bei den Seitenabdichtungen und beim Dammbau einer Deponie die räumliche Lage der wasserleitenden und der wassersperrenden geologischen Elemente einen ganz entscheidenden Einfluß auf die Sickerwasserverluste und auch auf die Standsicherheit des Absperrbauwerkes.
Hierzu gehören:
- tektonische Störungs- und Zerrüttungszonen, besonders auch Zonen mit horizontalen Scherbeabspruchungen,
- Hangzerreißungsklüfte, die zwar fast immer den tektonisch vorliegenden Trennflächen folgen, in ihrer Öffnungsweite aber sehr vom Gestein und der Hangneigung abhängig sind,
- Wechsellagerungen von stärker wasserdurchlässigen Gesteinen (Sandsteine, Kalksteine) und wasserhemmenden Gesteinen (Tone, Mergel). Die tonigen Schichten wirken wassersperrend und auch ihre Klüfte weisen eine geringere Wasserwegsamkeit auf als die spröder Gesteinsarten. Parallel zur Schichtung bieten solche Wechsellagerungen hingegen gute Sickerwasserbahnen.
Oberflächenabdichtungen
Zur Emissionsminderung an Deponiestandorten ist fast immer eine Oberflächenabdichtung notwendig. Als Haupt-Sicherungsmaßnahme ist sie jedoch nur dann ausreichend, wenn der Kontaminationsherd keinen Grundwasserkontakt hat und seitliche Gasmigrationen nicht zu befürchten sind. So kann die Auslaugung von Deponien mit salzhaltigen Schlacken, Aluminiumschlacken und Schmelzrückständen in das Grundwasser hinein stark verringert werden, wenn der Zutritt von Regenwasser durch Abdeckung mit Lehm- und Mergelschichten drastisch vermindert wird.
Die Oberflächenabdichtung soll vor allem das Eindringen von Oberflächenwasser in den kontaminierten Bereich bzw. in den Deponiekörper verhindern. Sie stellen also -- im Gegensatz zu Seiten- und Sohldichtungen -- eine Schutzmaßnahme dar, die die Entstehung von Sickerwasser einschränkt oder vermeidet. Zugleich werden die Milieubedingungen im Deponiekörper konstant gehalten, was im Hinblick auf langfristig zu befürchtende Mobilisierungseffekte für Schwermetalle (saurer Regen!) besonders wichtig ist.
Literaturverzeichnis:
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* Dr. A. Baier, last Update: Sonntag, 26. Februar 2023 18:28