"Zur Hydrogeologie der Fränkischen Schweiz -- Probleme der Wasserversorgung im Karst der Frankenalb". Tagung im Fränkische-Schweiz-Museum Tüchersfeld am 30. Juni 2001
von Roman Koch & Alfons Baier, Erlangen
Karstgebirge wie die Frankenalb sind geprägt durch chemische Lösungsvorgänge, die sowohl die Formen der Landoberfläche als auch die Wasserwege im Untergrund bestimmen: Das in den Untergrund des Karstgesteins einsickernde, mit Kohlendioxid beladene Niederschlagswasser ätzt dort die schmalen Gesteinsfugen und -klüfte zu klaffenden Spalten und Röhren aus. So entstehen im Lauf der Jahrtausende weitverzweigte Höhlensysteme, durch die das Karstwasser strömt. Diese unterirdischen Gerinne treten in tiefeingeschnittenen Tälern wieder als Karstquellen zutage, wobei deren Quellschüttungen in einigen Fällen bis zu mehreren tausend Kubikmetern pro Stunde betragen können.
Die Vorgänge der Verkarstung zeigen sich im Landschaftsbild durch offene Karstspalten, flache Lösungssenken, Trockentäler sowie Erdfälle und Höhlenöffnungen. Charakteristisch für die unterirdische Entwässerung von Karstgebieten sind die zahlreichen Versickerungsstellen und "Schlucklöcher" (Ponore), in welche nicht nur kleine, periodisch auftretende Rinnsale, sondern ganze Bäche und Flüsse in die Tiefen des Gebirges hineinströmen oder -stürzen und von dort den unterirdischen Wasserläufen zuströmen. Die Entwässerung im Karst ist also gekennzeichnet durch das weitgehende Fehlen von Oberflächengewässern, einen raschen unterirdischen Abfluß, häufig stark schwankender, von den Niederschlagsverhältnissen abhängigen Grundwasserführung und durch das Auftreten von großen Karstquellen, die weite Gebiete des Karstgebirges entwässern.
Für die nördliche Frankenalb gelten diese Gesetzmäßigkeiten für den Malm, den Oberen Jura, der hier überwiegend als Frankendolomit ausgebildet ist und uns in Form markanter Felsen und großer Wandfluchten bekannt ist, wie man bei einer Fahrt durch das Wiesenttal erfahren kann. Hier gilt zusätzlich, daß aufgrund der geologischen Schichtfolge an der Basis des Malm an der Grenze zum Dogger ein dichter Tonbereich (Ornatenton) auftritt, der die Karstwässer, die durch die Malm-Karbonate fließen, staut, was dort zum bevorzugten Austreten von Quellen führt.
Die sehr großen Karstwasser-Vorkommen der Frankernalb erschließen prinzipiell ein einwandfreies, sehr wohlschmeckendes Wasser, das oft ohne weitere Aufbereitung direkt in das Leitungsnetz der Trinkwasserversorgungsunternehmen eingespeist werden kann. Jedoch erweist sich die Verkarstung in wasserwirtschaftlicher Hinsicht manchmal als sehr problematisch, da die Wasserfilterung im Karst denkbar schlecht ist. Durch Niederschlagswasser aus dem Boden ausgewaschene Schadstoffe -- wie Nitrate als Folge intensiver Felddüngung oder ausgebrachte Pestizide -- werden schnell und ohne wirksame Filterung in das Grundwasser eingebracht. In diesem herrschen nicht wie bei Porenwasserleitern wohldefinierte Wasserwegsamkeiten, besteht also keine langsame Durchwanderung, sondern der unterirdische Abfluß findet in offenen Klüften, Gängen und Schlotten sehr rasch statt. Das Grundwasser kann daher oft schon nach wenigen Tagen an Quellen ungefiltert wieder austreten.
Menschliche Aktivitäten in Form dichter Besiedlung und Industrialisierung oder besondere Erschließungen wie Bergbau, Verkehr und Tourismus sowie intensive landwirtschaftliche Nutzung können grundsätzlich zu einer quantitativen und qualitativen Gefährdung der Karstgrundwasservorkommen führen Deshalb ist es äußerst wichtig, in Karstgebieten auf einen strengen Grundwasserschutz zu achten.
Zur Klärung der unterirdischen Wasserwege in der Nördlichen Frankenalb galt besonderes Augenmerk zunächst den stark ausgeprägten Trockentalsystemen: Die Trockentäler zeigen alle geomorphologischen Formen fluviatiler Erosion. Ihre Ausformung erfuhren diese Trockentalsysteme unter eiszeitlichen Bedingungen durch die oberflächlich abfließenden Schmelzwässer über die -- durch Permafrost "plombierten" -- Karsthohlräume. Die Trockentäler mögen in ihrer ursprünglichen Anlage ein wesentlich älteres, vor der jüngsten Talbildung bereits bestehendes Karstwasserentwässerungssystem zurückgehen. Viele Trockentäler verdanken ihr nacheiszeitliches Trockenfallen den Verkarstungsvorgängen: Ihre wasserarmen Gerinne haben der weiteren Einschneidung des Vorfluters nicht folgen können und sind heute in den Untergrund versunken. Der Abfluß aus den Trockentälern fand im Gebirge ein älteres Karstwasserentwässerungssystem vor, das nur reaktiviert zu werden brauchte; hierdurch läßt sich das "schlagartige" Trockenfallen dieser Talsysteme sowie die in den Tälern zu beobachtenden, oftmals "in Reihe auftretenden" Ponore erklären.
Bereits der Altmeister der bayerischen Geologie, Prof. GÜMBEL (1891) führte den geradlinigen Verlauf der Fluß- und der Trockentäler in der Fränkischen Schweiz auf die in der nördlichen Frankenalb vorherrschenden Hauptkluftrichtungen zurück. Die Bindung der Karsterscheinungen (wie Talsysteme oder Höhlenbildungen) an Kluft- bzw. Spaltensysteme erwähnt er im Zusammenhang mit oberirdisch sichtbaren Auslaugungen des Untergrundes, wo z. B. Dolinen geradlinig aneinander gereiht sind. Später wertete der Pionier der Fränkischen Höhlenforschung, Major a.D. Adalbert NEISCHL (1903, 1904) die Talverläufe und den Verlauf großer Karsthöhlen dieses Gebiets aus und stellte die vorherrschende Orientierung des Trennflächengefüges als "Lithoklasen" dar.
Der geradlinige Verlauf der Fluß- und Trockentäler in der Fränkischen Schweiz wird auf die in der Nördlichen Frankenalb vorherrschenden Hauptkluftrichtungen zurückgeführt. Diese Übereinstimmungen zwischen dem Verlauf der Trockentäler und dem großtektonischen Bau konnte auch in den jüngsten Untersuchungen durch den Lehrstuhl für Angewandte Geologie Erlangen nachgewiesen werden. Dabei zeigte sich, daß die Frankenalbfurche, eine alte Senkungszone, welche die Frankenalb in Nordwest-Südostrichtung durchzieht, von entscheidender Bedeutung für die Karstwässer ist. Diese tektonische Mulde stellt eine mächtige hydrologische Wanne dar, in der die Klüfte und Hohlräume der verkarsteten Karbonatschichten mit großen Wassermengen gefüllt sind. Ferner passt sich das Trockentalsystem an das fränkische Höhlen- und Kluftsystem an, das Nordost-Südwest bzw. Nordwest-Südost verlaufenden Bruchlinien folgt.
Durch diese Analysen des Gebirgsbaues konnten somit auch die Wasseranalysen in Quellen und Fließgewässern im Untersuchungsgebiet interpretiert werden. In den Fließgewässern machten sich beispielsweise die Nitrateinträge fast gleichzeitig mit den Düngeperioden der Landwirtschaft bemerkbar. In den Quellen wurden erhöhte Nitratwerte mit einer etwa ein- bis zweimonatigen Verzögerung festgestellt; dies entspricht der Durchlaufzeit der Karstwässer durch das unterirdische Entwässerungssystem.
In einigen Bereichen zeigte sich allerdings, daß diese Gesetzmäßigkeit nicht gilt. Dort konnten sowohl die Nitrateinträge als auch Tracereinträge nicht unmittelbar nachgewiesen werden. Hier setzt die Detailarbeit der Angewandten Faziesforschung am Lehrstuhl für Paläontologie Erlangen an. In dieser Arbeitsgruppe werden die Bildungsbedingungen der feinen Porenräume in den Karbonatgesteinen in Abhängigkeit von der Entstehungsgeschichte der Kalke und Dolomite erforscht.
Die Karstwässer der Frankenalb durchfließen die gesamte Malm-Folge mit ihren Mergeln, Bankkalken, Massenkalken und Dolomiten. Während in Bankkalken oft eine rasche Entwässerung über Kluftsysteme gegeben ist, zeigt die dolomitische Massenfazies (Frankendolomit) ein besonderes Rückhalte- und Verdünnungsvermögen (Filterfunktion, Massenaustausch) gegenüber Wasserinhaltsstoffen, wie von Prof SEILER am Institut für Hydrologie im GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit in Neuherberg nachgewiesen wurde.
Dieser Effekt ist auf die ehemaligen Bildungsbedingungen des Frankendolomits zurückzuführen, der einst als Kalk gebildet und im Laufe der geologischen Geschichte in Dolomit umgewandelt wurde. Bei dieser Umwandlung entstanden aus den verschiedenen Kalken (Massenkalk, Schwammriffe, Bankkalke) unterschiedliche Dolomite mit unterschiedlichen kleinen Porenräumen. Somit steuern die ganz frühen Bildungsbedingungen im damaligen Jurameer auch noch heute die hydrologischen Eigenschaften des Frankendolomits.
Die daraus entstandenen Dolomite wie Dickbankkalke, Dickbankdolomite und Schwammrasendolomite können wir bei der Fahrt durch das Wiesenttal sehr gut beobachten und uns dabei auf die sehr lehrreichen Darstellungen von MEYER & SCHMIDT-KALER "Wanderungen durch die Erdgeschichte" stützen, die diese Zusammenhänge grundlegend festgestellt haben. Hier zeigt sich auch, daß der Malm-Karst, der die Wässer unterschiedlich verteilt, nicht so einheitlich zu sehen ist, wie bisher angenommen wurde. Verschiedene Dolomite sorgen für unterschiedliche Wegsamkeiten und Verweildauern der Karstwässer und damit auch von eventuell eingebrachten Schadstoffen.
Damit im Zusammenhang steht allerdings auch das so genannte Selbstreinigungsvermögen des Karstes, das durch die Gegenwart von denitrifizierenden Bakterien bedingt ist. Sie sorgen für den Nitratabbau im Gestein, wenn das Wasser dort länger verweilen kann, was bevorzugt in Dolomit-Massenkalken möglich ist. In Kalken mit rascher Entwässerung über die Kluftsysteme kommt dieser Effekt nicht zur Geltung. Diese Bakterien können allerdings nur in einen bestimmten Dolomittyp eindringen, der ausreichend "große" Porenräume, d.h. größer als die Bakterien (also größer als 0,5 bis 5 µm) aufweist. Diese Porengröße ist wiederum durch die ganz frühe Bildungsgeschichte der Malmkarbonate bedingt.
Diese Zusammenhänge wurden bei der anschließenden Exkursion beispielhaft gezeigt. Im Trubachtal wurde der interne Aufbau von zunächst massig erscheinenden Dolomiten erklärt. Der Zerfall von Dolomiten zu Dolomitsand, der in Senken der Karstoberfläche angesammelt werden kann und dort eine Filterfunktion auswirkt, wurde an der Wasserversickerungsanlage in Hiltpoldstein diskutiert. Kluftentwässerung und die Richtung der verschiedenen Klüfte wurden im Steinbruch Endress bei Gräfenberg erläutert. Zusätzliche Ausführungen zum Kluftsystem wurden im Druidenhain bei Wohlmannsgesees gegeben und die heutige Entstehung von Klaktuffen wurde bei Eschlipp gezeigt.
Bei wunderschönem, sonnigen Wetter kehrte die 25-köpfige Exkursionsgruppe abends nach Tüchersfeld zurück, wo in einer abschließenden Diskussion unter Leitung von Dr. D. KAMPHAUSEN die Probleme im Karst nochmals erläutert wurden. Ferner wurde beschlossen, diese Tagung jährlich zu wiederholen, um der Öffentlichkeit die Möglichkeit zu geben, neueste Forschungsergebnisse zur Karsthydrologie der Frankenalb verfolgen zu können.
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