Das Karstgebiet südöstlich Neuhaus/Pegnitz:
Vulnerabilität von Karstgrundwasserleitern
Karstlandschaften sind auf der Welt weit verbreitet: Schätzungsweise ein Fünftel der gesamten kontinentalen Oberfläche unseres Planeten sind Karstgebiete. Hierbei wechselt ihr Aussehen von Klimazone zu Klimazone erheblich. Das Trink- und Brauchwasser von rund 25 % der Weltbevölkerung wird aus Karstgebieten gewonnen (HÖTZL 1999). Allerdings bedingten die unterschiedlichen klimatischen Bedingungen in Verbindung mit verschieden langen Verkarstungsphasen und die regionalspezifischen tektonischen Beanspruchungen dieser Gebiete ebenso unterschiedliche Verkarstungserscheinungen und -intensitäten, so daß es sich in praxi als unmöglich erweist, für Karstgrundwässer allgemein gültige Richtlinien für die Ausweisung von Schutzgebieten zu erstellen. Da sich die Karstgebiete der Erde weiterhin hinsichtlich ihres geologischen Aufbaus, ihrer rezenten tektonischen Exposition und ihrer hydrogeologischen Komponente stark voneinander unterscheiden, erfordert der Schutz des Karstgrundwassers demzufolge stets eine stark regional ausgerichtete Betrachtung.
Europa weist von den fünf Kontinenten prozentuell den größten von Karbonatgesteinen eingenommenen Flächenanteil auf. In der wasserwirtschaftlichen Versorgung und Planung der europäischen Länder stellen die an Karstgebiete gebundenen Grundwasservorkommen eine wichtige Versorgungsbasis dar. So gewährleisten für den gesamten Mittelmeerraum -- mit seiner ausgedehnten Verbreitung von Karbonatgesteinen -- die Karstgrundwasserleiter oftmals die einzige Möglichkeit, Trinkwasser in ausreichender Menge zu erschließen. Auch in Mitteleuropa kommt der Trinkwasserversorgung aus Karstgrundwasserleitern eine wichtige Stellung zu. So werden selbst in schwierigen Geländebereichen wie den Alpen Karstgrundwässer über Quellen, Brunnenbohrungen und Stollenfassungen zur Trinkwassergewinnung herangezogen (vgl. BÖGLI 1978).
Die meisten Karstgebirge Europas beinhalten Trinkwasservorräte von oftmals überregionaler Bedeutung. Der Schutz dieser Trinkwasserreserven vor biologischen und chemischen Kontaminationen erweist sich in der Regel jedoch als schwierig. Zwar bieten viele Karstwasser-Vorkommen von Natur aus große Mengen an einwandfreien Grundwässern bester Qualität, wobei diese Wässer oft ohne weitere Aufbereitung oder Zugabe von Oxydantien direkt in das Leitungsnetz der Trinkwasserversorgungen eingespeist werden. Dies setzt allerdings ein ökologisch intaktes, weitgehend ungestörtes natürliches Einzugsgebiet voraus.
Selbst unter naturnahen Bedingungen im Einzugsgebiet können bei Starkregen-Ereignissen und dem damit verbundenem verstärkten Sedimenttransport Trübeeinbrüche im Karstwassersystem beobachtet werden, die sich oft bis zum Wiederaustritt in den Karstquellen bemerkbar machen: Exemplarisch ist dies bei der sog. Pegnitzquelle in der Stadt Pegnitz/Ofr. verwirklicht.
Bedeutsam wird dieses Phänomen, wenn durch menschliche Aktivitäten z.B. bakteriologische Verunreinigungen oder chemische Schadstoffe in das Karstsystem gelangen. Bei den hohen Transportgeschwindigkeiten und der raschen, inhomogen erscheinenden Verteilung im Karstsystem kann dies zu einer durchgreifenden Kontamination des Karstgrundwasserkörpers führen.
Unter dem Begriff "Vulnerabilität" werden somit die spezifischen hydrogeologischen Eigenschaften eines jeden Karstaquifers zusammengefasst, welche als Maßstab für die Sensibilität dieses Karst-Grundwasserleiters auf natürliche und anthropogene Einflüsse angesehen werden. So erweisen sich -- aufgrund der im Karstgebirge korrosiv stark erweiterten Wasserwege und der daraus resultierenden hohen Fließgeschwindigkeiten mit geringen Verweilzeiten -- die natürlichen Reinigungsvorgänge im unterirdischen Karstwasserabstrom in der Regel als deutlich reduziert oder kaum vorhanden. Vor allem im Seichten Karst finden chemische und biologische Abbauprozesse nur untergeordnet statt; auch im Tiefen Karst mit seinen hohen Grundwassermächtigkeiten zeigen Karstquellen relativ häufig -- bisweilen sogar periodisch zu beobachtende -- Keimbelastungen auf. Der einzige Vorteil im Vergleich zu Poren-Grundwasserleitern ist darin zu sehen, daß derartige Kontaminationen meist relativ rasch durch das Karstsystem hindurchgeschleust werden und somit eine frühzeitige Wiedernutzung des Karstaquifers ermöglicht wird.
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* Dr. Alfons Baier, last Update: Freitag, 24. Februar 2023 12:44