Das Karstgebiet südöstlich Neuhaus/Pegnitz:
Zur Schutzfunktion der Grundwasser-Deckschichten im Karstgebirge
Wie bereits angeführt, wirken sowohl die Schutzfeldschichten als auch die Tone der Albüberdeckung als lokal wasserstauende Horizonte, auf denen sich bisweilen das Niederschlagswasser in kleinen Tümpeln sammelt. Noch bis in das 20. Jahrhundert hinein dienten die Stellen, an denen diese wasserundurchlässigen Schichten auftreten, den Bewohner der Albhochfläche als geringfügige und hygienisch sehr bedenkliche Wasserversorgung durch die Oberflächenwasser-Ansammlungen der "Hüllen" .
Die heutige hydrogeologische Bedeutung dieser Karstgrundwasser-Deckschichten äußert sich in einem augenscheinlich guten Schutz der Karstwasserressourcen vor direkten Eintrag kontaminierter Oberflächenwässer. Diese Schutzfunktion gegenüber schadstoffbelasteter Oberflächenwässer beruht auf der Annahme weitgehend homogen ausgebildeter und flächenhaft vorliegender Deckschichten mit definierbaren Verweildauern der Sickerwässer in der unsättigten Zone, der hierdurch bedingten Filterwirkung und auch dem Schadstoffabbau unter sauerstoffreichen Bedingungen. Die hierdurch implizierte Betrachtungsweise (vgl. NEUKUM 2005) prädestiniert die Vorgehensweise einer grossflächigen Gefährdungsabschätzung mittels Geographischer Informationssysteme (GIS).
In der Nördlichen Frankenalb zeigt sich in praxi jedoch das Gesamtbild eines kleinräumig strukturierten Musters von wasserstauenden Arealen mit Alblehmbedeckung, welchen -- vom theoretischen Standpunkt aus -- eine schadstoff-filternde Infiltrationsfunktion zugesprochen wird und das oft unmittelbar benachbarte Auftreten von Ponoren und linear angeordneten Dolinen mit punktuellem, direkten Eintrag der Oberflächenwässer in das Karstgrundwasser.
Die wasserstauenden Sedimente der Alblehme liefern hierbei sogar die hydrogeologischen Voraussetzungen für die Ausbildung einer Vielzahl kleiner oberflächlicher Wassereinzugsgebiete, in welchen sich das Niederschlagswasser sammelt und -- der Schwerkraft folgend -- schon bei geringen Hangneigungen einem Netz zunächst unscheinbarer, sich aber rasch eintiefender Ponorgräben zuströmt, an deren Ende die Wässer dieser temporär auftretenden Bäche über ein oder mehrere Ponore ungefiltert dem Karstgrundwasser zuströmen.
Im Allgemeinen entspricht bei einer leichten Hangneigung des Geländes einer längeren Einsickerungsdauer auch ein verstärkter Oberflächenabfluß. Generell gilt, daß die in den Untergrund einsickernden Wässer entweder -- der Schwerkraft folgend -- senkrecht in die Tiefe versinken und im Porenraum gespeichert werden können oder als unterirdischer Abfluß in tieferen Gesteinsschichten mehr oder weniger parallel zur Bodenoberfläche hangabwärts fließen.
So untersuchte im Gebiet der Wassermeßstation am Schwarzsee bei Freiburg/Breisgau bereits Mitte des letzten Jahrhunderts NÄGELI (1959) das Abflußverhalten des Wassers auf einer leicht geneigten, vernäßten Wiese in verschiedenen Bodentiefen und in Abhängigkeit von der Niederschlagsmenge. Bei den dortigen lehmigen Böden konnte er bei einem Niederschlag von 10 mm einen Abfluß von 6,9 mm in Bodentiefen bis 5 cm (69 % von N) und nur 0,1 mm (1 % von N) in Bodentiefen von 5 cm bis 25 cm beobachten. Bei einem Starkniederschlag von 100 mm fand ein Abfluß von 92,4 mm (92 % von N) in Bodentiefen bis 5 cm statt und lediglich 3,1 mm (3 % von N) in den Bodentiefen von 5 cm bis 25 cm. Bei lehmigen oder gar tonigen Böden ist bei bereits leichter Geländeneigung in den tieferen Bodenhorizonten also nur da ein nennenswerter Abfluß zu erwarten, wo die Oberflächenabflüsse gering sind: Im Karstgebirge werden diese Stellen durch morphologisch bedingte Einsickerungssenken (wie verschwemmte oder offene Dolinen) oder durch Ponore charakterisiert.
Für das Karstgebiet SE´ Neuhaus/Peg. wurde anhand eines hochauflösenden 3D-Geländeoberflächenmodells der oberflächennahe Abfluß von Niederschlagswässern auf den Karstgrundwasser-Deckschichten (cretazische Sandsteine und Tone sowie Alblehme) simuliert. Das mittels Computer errechnete Abstromverhalten zeigt einen nahezu perfekten Abfluß in die Trockentalsysteme, wo sich diese Oberflächenwässer oder oberflächennahen Sickerwässer entweder zu temporär auftretenden "Schelmbächen" vereinigen und nach meist kurzem Fließweg in Ponoren versinken oder aber gleich in die -- bevorzugt in den Trockentälern anstehenden -- Dolinen eingehen.
Bei den Analysen der Ponorgrabenwässer dieses Gebiets konnte TIETJEN (2004) im März 2002 moderat erhöhte Sulfatgehalte bis 55 mg/l beobachten. Diese vor allem in den temporären Wässern des Eichelgarten- und des Mühlbühl-Ponorgrabens auftretenden Kontaminationen sind nicht geogen, sondern infolge der landwirtschaftlichen Düngung der Äcker im Einzugsgebiet der Ponorgräben bedingt. Bei den beprobten Quellwässern des Tiefen Karstes traten hingegen nur geringe Schadstoffbelastungen auf, was einerseits auf das ökologisch weitgehend intakte Einzugsgebiet dieser Karstquellen und andererseits auf die hohen Verdünnungseffekte in diesem mächtigen Karstwasserkörper zurückzuführen ist. Jedoch zeigt das gelegentlich zu beobachtende Auftreten von Ammonium in den Quellwässern aber den schnellen Wasserdurchsatz zwischen den Eintragsstellen von Gülle auf den Äckern der Albhochfläche und den Karstquellen an.
Generell kann das Karstgebiet SE´ Neuhaus/Peg. -- in Relation zu einem dicht besiedelten und intensiv genutzten Land wie der Bundesrepublik Deutschland -- trotzdem als "Vorzeigebeispiel" für einen bislang gelungenen Schutz der hier vorhandenen Trinkwasserreserven gelten. Es zeigt aber auch die potentiellen, mannigfaltigen Gefährdungen dieser Trinkwasservorräte auf. So erfolgten im Bereich der NW´ gelegenen Gebiete der Veldensteiner Mulde -- z.B. auf der Albhochfläche jenseits des Veldensteiner Forstes -- mit den dort gelegenen, ausgedehnten landwirtschaftlichen Nutzflächen in den Sechziger und Siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts umfangreiche Flurbereinigungs-Maßnahmen. In diesem Zusammenhang wurden eine Vielzahl von Dolinen verfüllt und die dort ebenfalls auftretenden Ponorgräben und Ponore verschwanden unter planungsgemäß aufgeschüttetem Mutterboden, ohne daß jedoch ihre hydraulische Schluckfähigkeit gegenüber den einsickernden Wässern nennenswert beeinträchtigt wurde.
Die Beseitigung kommunaler Abwässer stellt auf der Karsthochfläche seit langer Zeit ein besonders gravierendes Problem dar. So beobachtete JARCZEWSKI (2004) im Raum Plech/Veldensteiner Forst die leider auf der Karsthochfläche stellenweise verbreitete Unsitte, die nahezu ungeklärten Abwässer einer unglücklich konstruierten Schilfkläranlage direkt in ein Bachbett einzuleiten, welches nach wenigen Metern schließlich in ein Trockental mündet. In den Neunziger Jahren vom Bayerischen Geologischen Landesamtes getätigte Markierungsversuche belegen, daß selbst westlich der Bundesautobahn München-Berlin in das Karstwasser eingebrachte Farbtracer innerhalb kurzer Zeit in den Trinkwasserquellen von Ranna nachzuweisen sind.
Im N´ an das Beobachtungsgebiet angrenzenden, teilweise noch (weitgehend) naturnahen Gebiet zwischen Neuhaus/Peg. und Auerbach/Opf. befinden sich eine große Anzahl an Dolinen, Ponoren und Ponordolinen. Einige dieser Objekte sind seit der -- in den Jahren 1959 bis 1961 durchgeführten -- amtlichen geologischen Kartierung (TILLMANN & TREIBS 1967) zugeschüttet worden, andere sind seitdem neu hinzugekommen. Im Gebiet zwischen Neuhaus/Peg. und Auerbach/Opf. konnte THRIEMER (2004) elf neue Ponordolinen aufnehmen. Die Wässer der von ihm untersuchten Karstquellen zeigen deutliche Spannbreiten von schadstoffunbelasteten Wässern bis hin zu deutlich kontaminierten, periodisch z.B. durch Landwirtschaft und Streusalzeintrag belasteten Quellwässern.
Aus dem Gebiet des östlichen Veldensteiner Forstes berichtet MOOG (2000) über die Verfüllung von (Ponor-) Dolinen mit Bauschutt, was auch heute noch eine gern ausgeübte Praxis auf der Hochfläche der Frankenalb darstellt. Senkt sich beispielsweise eine Doline auf einem Acker ein, wird diese häufig mit Bauschutt verfüllt, um eine ebene Oberfläche zu erlangen und die Befahrbarkeit des Feldes zu gewährleisten. Der eingebrachte Bauschutt ist in der Regel nicht korngrößensortiert, sondern es kommen große Bruchstücke wie Mauerreste neben Putz- und Mörtelfragmenten zur Ablagerung. Dies bedeutet, daß die hydraulische Aktivität der Doline -- was ihre Versickerungsfähigkeit betrifft -- meist kaum eingeschränkt ist. So werden durch die -- in die verfüllte Doline einsickernden -- Wässer vor allem Sulfate aus den Gips- und Mörtelresten gelöst und in den Karstuntergrund verbracht. Je nach Einzugsgebiet einer Karstquelle und Häufigkeit der verfüllten Dolinen kann es somit zu völlig unterschiedlichen Sulfatgehalten der Quellwässer kommen. Werden mit dem Bauschutt auch Tierkadaver oder Farb- und Lösungsmittelbehälter sowie Autobatterien auf diese kostengünstige Weise entsorgt, ist eine ernsthafte und nachhaltige Gefährdung der als Trinkwasser genutzten Karstwasserressourcen gegeben.
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* Dr. Alfons Baier, last Update: Freitag, 24. Februar 2023 12:51