Schlußbetrachtung und Ausblick
Selbst zahlreiche "junge" Deponien, die z.T. noch vor wenigen Jahrzehnten nach dem Stand der damaligen Technik angelegt wurden, gelten heute als Altlasten; die hiermit verbundene Problematik löste auf vielen Ebenen zahlreiche Diskussionen aus. Eine der Ursachen für diese Entwicklung war das blinde Vertrauen auf die Selbstreinigungskräfte des geologischen Untergrundes. Als Folge hiervon wurden selbst in jüngerer Vergangenheit viele Deponien mit Problemstoffen der Industriegesellschaft belastet, wobei noch in den Achziger Jahren die wahllose Vermengung von Hausmüll mit Sonderabfällen als fortschrittlich angesehen wurde.
Am Beispiel der mittlerweile über 50 Jahre alten, mit gutem Grundwasseranschluß versehenen Sondermülldeponie Silberbuck läßt sich die immense Bedeutung des langfristigen Stoffaustrags aus einer derartigen Altlast gut beobachten. In dem langen Zeitraum seit ihrer Auflassung spielten und spielen sich in einer solchen "Reaktor-Deponie" chemische und biochemische Prozesse ab, die zu einer immensen Mobilisation von teils sehr problematischen Schadstoffen führten und auch heute noch führen.
Die von Süden in das Dutzendteichgebiet einströmenden Grundwässer werden im Bereich der großen Silberbuck-Deponie kontinuierlich kontaminiert, wobei die Anzahl und Wirkung der verschiedenen, teilweise als sehr problematisch und toxisch zu charakterisierenden Substanzen insgesamt nur schwer abschätzbar ist. In weiterer Zukunft sollte neben den -- in dieser Arbeit erfassten -- Arsen- und Schwefelwasserstoffbelastungen die genaue Ermittelung der im AOX-Summenparameter zusammengefassten Verbindungen (z.B. chlorierte und aromatische Kohlenwasserstoffe) sowie die Erfassung weiterer, potentiell toxischer Kontaminanten wie Schwermetalle, radioaktive Substanzen und Cyanide im Deponieabstrom vorangetrieben werden.
Bei der Erstellung eines Sanierungskonzeptes für die Sondermülldeponie Silberbuck muß jedoch davon ausgegangen werden, daß es ziemlich hoffnungslos erscheint, die Müllablagerungen eines derart mächtigen Deponiekörpers auszukoffern und auf einem geeigneten Gelände endzulagern: Die Dimensionen der im Silberbuck und im Silbersee sowie in dessen Umgebung anstehenden Altlasten würden bei einer Totalsanierung jeden technischen oder finanziellen Rahmen sprengen.
Es ist deshalb anzuraten, zumindest den Grundwasserzustrom aus der Deponie in den Silbersee weitgehend zu unterbinden und somit den Schadstofffluß aus der anthropogen verschmutzten Geosphäre in die oberirdische Hydro- und Biosphäre zu verhindern. Hierzu müssen zunächst die sehr guten Wasserwegsamkeiten im stark durchlässigen Litoral des Sees z.B. durch flächige Benthoniteinpressungen unterbunden werden. Auch die Hänge und der Gewässerboden des Silbersees sollten z.B. durch flächenhaftes Einbringen von Benthonitmatten abgedichtet werden, um Unterströmungen der Litoralabdichtungen durch das stark kontaminierte Deponiewasser zu verhindern.
Erst nach einer nahezu vollständigen Abdichtung des Silbersees ("künstlicher Badewanneneffekt") kann eine Sanierung des stark kontamierten Seewasserkörpers sinnvoll durchgeführt werden. Ein Abbau des euxinischen Milieus und dessen toxischen Schwefelwasserstoffverbindungen durch eine größer dimensionierte Belüftungsanlage oder evtl. durch den Einsatz schwefelwasserstoffoxidierender Blaualgen und Bakterien kann erst dann eine ernstzunehmende Aussicht auf Erfolg haben, wenn der ständige starke Schadstoff-Nachstrom aus der Deponie unterbunden ist. Um die Wasserverluste infolge Evaporation und Evapotranspiration des abgedichteten und somit nicht mehr vom Grundwasser gespeissten Silbersees auszugleichen, sollte die Einleitung eines Oberflächenfließgewässers wie dem heute verrohrten Neusselsbrunngraben oder durch einen Stichkanal vom Langwasserbach her erfolgen.
Als Sofortmaßnahme wurden Ende 2003 im vielfrequentierten Freizeit- und Erholungsgelände am Silberseegebiet die alten, aus den Sechziger Jahren stammenden und in der Zwischenzeit mannigfaltig künstlerisch verzierten Warnschilder bezüglich der Lebensgefährdung erneuert. Weiterhin bietet seit dem 22. Mai 2006 die Stadt Nürnberg allen Besuchern des ehemaligen Reichsparteitagsgeländes mit einem umfassenden Informationssystem die Möglichkeit, sich auf dem ehemaligen RP-Gelände direkt vor Ort mit den NS-Parteitagen auseinander zu setzen (vgl.: www.kubiss.de/reichsparteitagsgelaende/). Das Geländeinformationssystem veranschaulicht auch mit zwei großen Tafeln am Silbersee die dortige Lebens- und Gesundheitsgefährdung. Schließlich wäre es dringend anzuraten, bis zu einer erfolgreich durchgeführten Sanierung die bisherige Nutzung des Silbersees als Fischereigewässer im gesundheitlichen Interesse der dortigen Sportfischer einzuschränken.
Weiter zur Page "Literaturverzeichnis"
* last Update: Freitag, 24. Februar 2023 13:02